Corona Collage
Was lange währt, kommt endlich raus.
Während der Corona habe ich viele Phasen durchlebt.
Auf die erste Unsicherheit folgte der Stillstand der Kulturbranche, der mir heute Gott sei Dank wie eine Erinnerung aus einer anderen Zeit vorkommt.
Für meinen Alltag hatte das Wegbrechen fast aller Konzerte und Aufträge zur Folge, dass ich zwischen zwei Extremen pendelte.
Das eine Extrem war die Sinnfrage, die alles, was mit Musik und Kreativität zu tun hatte, mit einem „Und wozu?“ beantwortete; das andere Extrem war Neugier und ein Überfluss an einer Ressource, die sonst nur sehr begrenzt zur Verfügung zu stehen scheint: Zeit. Raumakustik, Studiotechnik, Mischphilosophien, Boxenpositionen, Aufnahmetechniken - ich bestellte mir Standardwerke, las das Internet leer und bastelte nächtelang. Bis die allgegenwärtige Frage wieder an die Tür klopfte: Und wozu?
Ich hatte das Gefühl, dass es nicht nur mir so ging, sondern vielen. Ich war es gewohnt, das ganze Jahr über und vor allem im Sommer auf Festivals und Veranstaltungen alle möglichen Leute in ähnlichen Lebenssituationen zu treffen. Auf den richtigen Veranstaltungen natürlich.
Eine der Besonderheiten des Kultursektors besteht darin, dass es nicht nur einen Weg gibt, Ziele zu erreichen oder Dinge zu tun. Wenn Kultur ein Spiel wäre, gäbe es genauso viele Gewinner und vielleicht würde derjenige den meisten Applaus bekommen, der den vielleicht dümmsten, aber unterhaltsamsten Weg gefunden hat, ein Problem zu lösen. Lustigerweise scheinen mir Kulturschaffende im Vergleich zu anderen Systemen sogar extrem ökonomisch und realistisch zu sein, und in der Regel funktionieren die Ideen auch relativ oft, aber das ist ein anderes Thema.
Während der Zeit des Lockdowns, als ich quasi im eigenen Saft schmorte, fehlte mir vor allem der Austausch mit anderen Kreativen. Ich mag es nicht, wenn sich Gewohnheiten einschleifen, wenn man sich so eingerichtet hat, dass man Dinge nicht mehr überdenken muss. Ich möchte, dass andere aus meinen Fehlern und Erfahrungen lernen und ich aus den Fehlern und Erfahrungen anderer.
Deshalb habe ich mich bei der Initiative Musik beworben, um mit verschiedenen Leuten, die ich musikalisch sehr schätze und gut genug kenne, um sie während Corona bei mir in Mannheim unterzubringen, Musik zu machen.
Wir leben in einer Zeit, in der Nachhaltigkeit ein allgegenwärtiger Begriff ist.
Eine Interpretation dieses Begriffs kann sein, Produkte zu kaufen, die ein Label tragen, das besagt, dass man beim Konsum kein schlechtes Gewissen haben muss.
Eine andere Interpretationsmöglichkeit ist, dass man Dinge potenziert, die schon verfügbar sind oder Prozesse weiterführt oder nicht abbrechen lässt, damit das bereits getätigte Ressourceninvest nicht zunichte gemacht wird.
Ich habe das Glück, viele Bands und Künstler*innen zu kennen, die Festplatten mit spannenden Aufnahmen ihrer Projekte haben. Ich wollte diese Aufnahmen wiederverwerten, indem ich Samples aus diesen Aufnahmen in die Tracks des Projekts einbaue. Für das musikalische Upcycling bekam ich Tracks von Äl Jawala, den Discodicks, der Huggeswingband, Black Project, Andreas Eichenauer & vielen mehr, die ich mit meinen Produzentenkollegen durch den Fleischwolf drehen durfte.
Der Prozess der Zusammenarbeit stand im Vordergrund - es gab kein vorgegebenes Genre, keine festgelegte Länge der Tracks. Innerhalb von jeweils zwei Tagen sind die Tracks entstanden. Jetzt ist alles fertig und wird beim Label Springstoff veröffentlicht.
Hannah Radgen hat den Prozess während ihrer Zeit in der Filmkombüse (MaxDamm) dokumentiert.
Kerstin Backes hat das Cover entworfen. Sie hat ebenso ergebnisoffen eine Collage erstellt.
In Mannheim wurde 2022 ordentlich gezündelt.
Ich freue mich sehr, dass ich im Rahmen meiner Residency vom Kulturamt Mannheim und der Alten Feuerwache die Möglichkeit bekommen habe, mit einer Gruppe spannender Menschen an der Frage zu arbeiten, wie man eine kollektive Improvisation um die Sinne Geschmack und Geruch erweitern kann. Das Zündeln-Programm gibt Künstlern die Möglichkeit, nicht ergebnisorientierte Konzepte auszuprobieren, die sie schon lange auf ihrer Bucket List haben. Normalerweise fehlt es an Ressourcen für die Realisierung dieser spannenden Projekte - im Rahmen von Zündeln werden Raum und Produktionsbudget zur Verfügung gestellt und von den Künstler*innen eigenverantwortlich genutzt.
Es war ein sehr intensiver und spannender Prozess. Über mehrere Tage hinweg fanden Improvisationssitzungen in verschiedenen Kleingruppen und Besetzungen statt. Dabei ging es nicht darum, Material einzustudieren, sondern ein gemeinsames Vokabular zu entwickeln, sich auszutauschen und Kommunikationswege zu erforschen, die die Sinne Geschmack und Geruch in die Improvisation mit einbeziehen. Koch und Barkeeper sollten als gleichwertige Jam-Partner agieren können. Ideen austauschen, Atmosphären schaffen, aber auch zerstören können. Ebenso sollte es möglich sein, sie durch Sounds und Atmosphären zu beeinflussen. Neben der Herausforderung, überhaupt ein Instrumentarium für Geschmäcker und Gerüche zu entwickeln, war auch interessant, wie das Publikum wie mit Instrumenten gezielt mit Gerüchen und Geschmäckern angesprochen werden kann. Der mehrtägige Prozess mündete in ein völlig frei improvisiertes Konzert, das eine extreme Bandbreite an Klängen, Stilen, Geschmacks- und Geruchserlebnissen repräsentierte. Das Wissen, dass dieses Konzept in alle Richtungen skalierbar ist, war einer der spannendsten Momente. Im Nachhinein tauschten sich Publikum und Akteure begeistert über mögliche Erweiterungen aus.
Auch wenn das Videomaterial die beiden wohl spannendsten Komponenten - Geruch und Geschmack - nicht wiedergeben kann, gibt es hier einen Rückblick auf die komplett improvisierte Session, die im Rahmen der Werkschau im Studio der Alten Feuerwache stattfand.
Besetzung:
Constantin E. Herzog - bass, synth
Lukas DeRungs - keys, electronics
Jascha Giebel - drums
Michi Hubert - drums
Dominik Jahn - keys, electronics
Felix Truong - taste
Lex Brown - smell
Flo Huth - electronics
Pictures: Daniel Wetzel
Recording/Cameras: Malte Appel
Zündeln Residency, 2022
Paul trifft Monnem Raum Klang Collectiv - Musik, die (sich) bewegt. Jeder Raum hat einen akustischen Fingerabdruck, der ihn einzigartig macht. So wie Licht von verschiedenen Oberflächen reflektiert wird, wird auch Schall von Grenzflächen zurückgeworfen. Dies geschieht so lange, bis die Klänge die wahrnehmbare Hörgrenze überschritten haben. Die Musiker*innen des Monnem Raum Klang Collective sind mit ihren Instrumenten auf der Suche nach den Potentialen, die jeder Raum mit sich bringt. Sie verbinden Tradition und Innovation, instrumentale und elektronische Musik, musikalische Klarheit und klangliche Verfremdungspotentiale. Das Ensemble improvisiert kollektiv, um nicht vorbereitetes Material über einen Raumklang zu legen, sondern im Einklang mit den akustischen Gegebenheiten zu arbeiten. Trotz dieser eher freien Herangehensweise soll das Publikum nicht abgeschreckt, sondern ermutigt werden, sich frei zu bewegen. Denn jeder erzeugt durch seine Position im Raum einen individuellen Klang.
Monnem Raumklang Kollektiv
Die"Küchen-Combo
Als die Pandemie von einem Tag auf den anderen alle kulturellen Aktivitäten zum Erliegen brachte, hatte ich das Glück, in einer Musiker-WG zu wohnen. Nachdem sich der erste Schreck gelegt hatte, begannen wir in der WG-Küche gemeinsam zu musizieren und zu improvisieren. Wir hatten zwar schon im Rahmen unseres Jazzstudiums oder anderer Bandprojekte zusammen Musik gemacht, aber diese Jams waren in dieser Formation neu. Frei improvisierter Jazz und grooveorientierte, organische Instrumentalmusik standen im Vordergrund. Ohne Absprachen begaben wir uns mal gemeinsam auf die Suche nach bisher unentdeckten Klangräumen, mal blieben wir bei einfachen Riffs hängen oder umspielten humorvoll einfache Akkordverbindungen. Alles war vor allem offen, zugänglich und doch vielschichtig und vor allem frei.
Schon nach kurzer Zeit standen die Nachbarn zu Beginn der Pandemie fröhlich und erwartungsvoll auf den Balkonen oder hinter geöffneten Fenstern; später mit Kindern an der Hand, im Gespräch mit anderen Nachbarn oder Bekannten, bei uns im Innenhof.
In dieser Besetzung spielten wir mehrere kulturelle Veranstaltungen, die im Zuge des schleichenden Erwachens der Veranstaltungsbranche nach der Pandemie wieder möglich geworden waren.
Jeder Auftritt war nicht nur ein Konzert, sondern eigentlich ein Roadtrip von vier Freunden, die ihre musikalische Leidenschaft in einer eher ungemütlichen Zeit teilten und im Rahmen des Möglichen auslebten.
Besetzung:
Florin Küppers - Gitarre
Julian Losigkeit - Drums
Lukas Hatzis - Bass
Julian Maier-Hauff - Trompete, Saxophon, Posaune, Electronics
Küchencombo
Impulse responses
Jeder Raum hat seinen eigenen akustischen Fingerabdruck. Während Lockdown hatte ich im Rahmen eines Stipendiums der Kulturstiftung BW die Möglichkeit, in Mannheim nach Räumen zu suchen, die normalerweise musikalisch bespielt werden können.
Mit Hilfe eines kurzen lauten Impulses kann man den Raum anregen und so mit einer Reihe von Mikrofonen eine Momentaufnahme der akustischen Eigenschaften an diesem Ort machen.
Kurz gesagt, man lässt einen Luftballon platzen, nimmt dies auf und kann dann den aufgenommenen Raumklang mit Hilfe von VST-Plugins, die Impulse auslesen können, über eine beliebige Audioquelle legen.
So kann man im Nachhinein so tun, als hätte man an dieser Stelle etwas aufgenommen, indem man den akustischen Filter über die zuvor ohne Rauminformation aufgenommene Spur legt. Klingt super trocken und langweilig - hat aber total Spaß gemacht und meinen Entdeckergeist geweckt. Zuerst habe ich eine kurze Improvisation mit meiner Trompete gespielt, dann haben wir einen Luftballon zum Platzen gebracht. Ein sehr gutes Paar Mikrofone und ein tolles Recording-Interface haben es mir ermöglicht, den Sound bestmöglich einzufangen. Orte wie die Alte Feuerwache Mannheim, die Hafenkirche Mannheim, TiG7, zeitraumexit, Rama Studios, Klavierwerkstatt Stimmgabel und viele kleine spannende Räume stehen dir nun digital zur Verfügung.
Was Du dafür tun musst? Einfach die Samples in ein VST- oder AU-Plugin laden, das Faltungsdateien verarbeiten kann. Bei Ableton ist das zum Beispiel der Hybrid Reverb.
Wenn Du kein Plugin dafür hast, kannst Du verschiedene kostenlose VST-Plugins herunterladen, die Impulsantworten abspielen können. Zum Beispiel dieses hier.
Trompetenimprovisationen an allen Orten, zu denen man die Impulseresponses herunterladen kann.















